Wenn die Krippe erzählen könnte
Mit mir ist eigentlich kein Staat zu machen. Nicht gerade sehr wertvoll, dieses Holz, aus dem man mich gemacht hat.
Eines Tages sagte der Schreinermeister: Was mach ich bloß mit den paar Abfallstücken? Wegwerfen? Ach nein, zu einer Futterkrippe wird’s grad noch reichen. Und weil er selber gerade mit anderem beschäftigt war, hat er einen Lehrling rangelassen. Der hat mich dann halt zusammengeschustert. Und dann kam auch bald jemand, der sagte: Ja, also die könnte mir gerade reichen für meinen Stall – und so stand ich jahrelang im Stall; übrigens ziemlich selten gebraucht, denn die Tiere waren meistens draußen. Leer und überflüssig kam ich mir vor.
Aber eines Nachts, da wurde es ganz anders. Die Tür ging auf und es schaute einer rein mit einer Laterne und guckte sich um, kam auf mich zu, rüttelte und schüttelte, aber mein Stehvermögen ist gut. So schlecht war der Lehrling gar nicht – hatte alles gut ineinandergefügt!
Und dann schleppte der Mann mich über den Boden, stellte mich gar nicht weit weg dahin, wo Stroh und Heu lagen, und hat mich damit ganz schön ausgefüllt. Ich dachte: Was ist los? Von Tieren siehst du nichts, hörst du nichts …Ein Kind!
Mein Holzherz tat einen Luftsprung. Das Kind wurde zwischen Stroh und Heu gebettet und ich konnte es halten mit meinen hölzernen staksigen Beinen und Wänden. Ganz warm wurde mir dabei. Ich merkte richtig, wie sich etwas in mir veränderte. Nur nicht knarren, dachte ich, bloß nicht, dass das Kind aufwacht. Und wenn ich es gekonnt hätte, wäre ich gerne wie eine richtige Wiege hin- und hergeschaukelt.
Es dauerte nicht lange, dieses Glück. Aber ich habe es nie mehr vergessen. Und Sie offenbar auch nicht, denn Sie reden ja immer noch von dem Kind. – hoffentlich mehr von dem Kind als von mir, der Krippe. Denn ich war nur dafür da, ihm Platz, Raum und Herberge zu geben.
Und wofür sind Sie da? Was geben Sie ihm? Hat es Sie auch hell gemacht und warm und verändert und Sie aus aller Armseligkeit dorthin gestellt, wo Sie wissen: Ich werde gebraucht? Lassen Sie’s mich hören.
Johannes Kuhn aus „Auszeit für die Seele“ Adventskalender 2017