Liebe Gemeinde,
was für ein schöner Taufspruch! Das wünschen sich Eltern für ihre Kinder bei der Taufe: dass Gott seine Hand bergend über sie halten möge. Vögel beschützen so ihre Jungen. Sie plustern sich auf, heben die Flügel gerade so viel, dass im weichen Nest noch ein kleines Küken darunter passt – oder mehrere. Die neugeborenen Vögel haben noch keine festen Federn wie die Erwachsenen, sie brauchen das bergende Zelt als Schutz vor dem Wind, der sie auskühlen würde und als Schatten vor der Sonne, die sie überhitzen würde. Ein Raubvogel, der aus der Luft herabblickt, sieht von oben nur die Vogelmutter. Schwäne transportieren sogar ihre Jungen auf ihrem Rücken. Ein alter Traum der Menschen ist es, auf dem Rücken eines Vogels mitzufliegen wie Nils Holgersson auf dem Rücken der Wildgänse.
Ist es das, was wir unseren Kindern bei der Taufe wünschen? Ein auf immer wohlbehütetes Leben, durch das sie sicher von Gott getragen hindurchfliegen mögen? Das wäre wohl unrealistisch und auch nicht kindgerecht.
Wie Vogeljunge auch, wollen unsere Kinder irgendwann das Nest verlassen, spüren, dass sie mit ihren eigenen Flügeln fliegen können. Das geht nicht immer glatt, auch wenn wir als Eltern unser Bestes gegeben haben, um sie auf den ersten Flug vorzubereiten.
Auch in ihrem Glauben an Gott als Beschützer werden sie als Jugendliche ihre eigenen Wege gehen wollen und ihre eigenen Fragen stellen. Es kann passieren, dass sie im Leben stürzen, dass sie Gott nicht mehr spüren. Auch wir Erwachsene brauchen manchmal einen Helfer, wenn wir nicht mehr weiterwissen, wenn unsere Kraft und unser Glaube zu Ende ist. Dann fällt uns vielleicht so ein Taufspruch ein: Gott ist mein Helfer. Bei ihm gibt es Schatten. Und Frohlocken.
Vielleicht entsteht daraus eine Suche, ein Weg zurück zur Gemeinschaft, in der ich diesen Gott einmal kannte.
Vielleicht entsteht daraus ein Gebet: Wo bist du Jesus, ich brauche dich.
Vielleicht entsteht aus einer kleinen Erinnerung ein kleiner Raum, in dem der Heilige Geist wirken kann.
Vielleicht kann man dann im Rückblick sehen: Auch als ich sehr gelitten habe, bin ich nicht verzweifelt, denn Gott hat mich gehalten, der Schatten seiner Flügel war über mir und hat mich geborgen.
Vielleicht haben das noch andere erlebt, und wir frohlocken gemeinsam im Schatten Seiner Fittiche.
Das ist es, was wir jedem Kind bei der Taufe wünschen!
Ihre Pfarrerin Sabine Wagner